Seit dem 1. November 2024 ist in der physiotherapeutischen Versorgung in Deutschland nichts mehr wie zuvor: Die Blankverordnung ist offiziell gestartet. Was sich dahinter verbirgt, warum das ein echter Gamechanger ist und welche Chancen (und Herausforderungen) sich daraus für Therapeutinnen, Ärztinnen und Patient*innen ergeben, erklären wir in diesem Beitrag.
Was ist die Blankverordnung? Bisher lief es in der Regel so: Ärztinnen stellten eine Diagnose und bestimmten gleichzeitig, welche physiotherapeutischen Maßnahmen konkret durchzuführen sind – von der Frequenz bis zur konkreten Therapieform. Mit der neuen Regelung ändert sich das grundlegend: Die Entscheidungshoheit über die konkrete Therapie liegt nun bei den Physiotherapeutinnen. Grundlage dafür ist die § 125a SGB V, der entsprechende Rahmenvertrag wurde zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Heilmittelverbänden geschlossen.
Was ändert sich konkret?
- Ärzt*innen stellen die medizinische Diagnose, schreiben aber keine konkreten Therapieanweisungen mehr vor.
- Physiotherapeut*innen entscheiden selbständig über Art, Dauer, Frequenz und Kombination der Heilmittel.
- Die wirtschaftliche Verantwortung für die Behandlung liegt bei den Therapeut*innen.
- Die Regelung gilt zunächst für ausgewählte Diagnosen im Bereich der Schultererkrankungen (z. B. Rotatorenmanschettenläsionen, Luxationen, Frakturen).
Was bedeutet das für Therapeut*innen? Die neue Freiheit bringt viel Potenzial: Endlich können Physiotherapeut*innen ihre Expertise voll einbringen und individuelle Behandlungspläne erstellen – ohne starre Vorgaben. Gleichzeitig steigt aber auch die Verantwortung: Falsche oder wirtschaftlich ineffiziente Entscheidungen können zu Regressforderungen führen. Praxen sollten daher ihre Prozesse und Fortbildungen kritisch hinterfragen und gegebenenfalls anpassen.
Und für Patient*innen? Der Nutzen für Patient*innen liegt klar auf der Hand: weniger Bürokratie, schnellere Versorgung, individuellere Therapie. Die Behandlungsplanung erfolgt direkt durch die Fachleute, die die Therapie auch umsetzen – das kann zu mehr Effizienz und besseren Behandlungsergebnissen führen.
Was sollten Praxen jetzt tun?
- Mitarbeitende über die rechtlichen und fachlichen Grundlagen der Blankoverordnung informieren
- Dokumentationsstandards überprüfen und anpassen
- Wirtschaftlichkeitsanalysen in die Therapieplanung integrieren
- Kommunikationsprozesse mit Ärztinnen und Patientinnen optimieren
Fazit Die Blankverordnung ist mehr als ein neues Abrechnungsmodell – sie ist ein Meilenstein für die Eigenverantwortung der Physiotherapie. Wer die Chancen nutzt, kann die Qualität der Versorgung deutlich steigern und gleichzeitig die Position der Therapeut*innen im Gesundheitssystem stärken. Klar ist aber auch: Ohne Strategie und Struktur wird es nicht funktionieren. Jetzt heißt es, Verantwortung übernehmen und das volle Potenzial entfalten.